Rundschaubericht Härtetest für Schwaben vom Samstag, 14.10.2017.
Bericht & Foto: RAINER KOLLMER
Härtetest für Schwaben
Zusammen mit der Buchhandlung Schagemann und der Stadtbücherei veranstaltete die Kulturkneipe Häberlen eine Autorenlesung mit Timo Berlin. Thema „Ohne Geld durch Schwaben“.
Es ist erstaunlich, wie oft man Hunger bekommt, wenn man kein Geld hat.“ Dieses jammervolle Zitat aus dem gemeinsamen Buch von Tino Berlin und Matthias Kehle umreißt mit wenigen Worten den gesamten Rahmen des Buches, dessen Entstehung wohl einer flapsig gemeinten Schnapsidee entsprang und vom Silberburg-Verlag bereitwillig ins Programm aufgenommen wurde.
Im Spannungsfeld von sorgsam gepflegten Vorurteilen, die zwei Badener aus Karlsruhe gegenüber den Schwaben mitbringen und dem Umstand, dass man die absonderlich sparsamen Knauser im Süden ohne monetäre Basis für 18 Tage heimsuchen wollte, entstand das unterhaltsame und abwechslungsreiche Buch, das den Charakter eines gut bebilderten und mit Insider- und Gastro-Tipps versehenen Reiseführers besitzt.
„Zwei Badener testen die Württemberger“, lautet der programmatische Untertitel des Buches, das Tino Berlin im Häberlen vorstellte. Das Problem ist nur, dass vor Nachahmung dringend abgeraten wird – bei Reiseführern eine eher unübliche Praxis.
Was aufregend lustig und mit komischem Unterton daherkommt, entpuppte sich bei dem Vortrag des Autors dann eher als harte und teilweise entsagungsvolle Aufgabe. Die zu erwartende Komik der Situationen hielt sich in Grenzen, obwohl der 55-jährige Tino Berlin keinesfalls ein verkniffener Griesgram ist.
Im Schaufenster übernachtet
Schon bei seinem einleitenden, frei gehaltenen Vortrag wurde deutlich, dass er die zwiespältigen Situationen der Wanderung durch Schwaben nicht unterschätzte. Seine Frau ist eine Schwäbin, Schwaben ist nicht Württemberg und schon gar nicht Hohenzollern oder Franken. Und die Badener gründeten Backnang. Auch die fehlenden Münzen und Scheine im Geldbeutel waren kein Spaß. „Es war für uns eine prekäre Situation. Wir mussten über unseren Schatten springen und auf die unterste soziale Ebene des Bettlers und Obdachlosen wechseln.“
Dabei war es eine zeitlich befristete, selbst auferlegte Armut mit nur kurzer Halbwertszeit. Und was als Wanderung auf Schusters Rappen gedacht war, entpuppte sich als ständiges Fahren und Mitfahren per Zug, Bahn oder im Auto. Tippelbrüder kommen nicht so flott voran. Die Stationen der Test-Expedition waren beeindruckend: Karlsruhe, Wangen, Ravensburg, Sigmaringen, Ulm, Blaubeuren, Welzheim, Stuttgart, Reutlingen, Dornstetten waren nur einige Orte, wo im Schaufenster oder Römerzelt übernachtet wurde. Es war kein Zweifel: Der Blick auf touristische Ziele im Ländle verändert sich, wenn man kein Geld hat.
Tino Berlin und Matthias Kehle schrieben in einem gefälligen und unkomplizierten Stil. Das Publikum nahm an den Schilderungen regen Anteil, zumal Tino Berlin auch so flüssig spricht wie er schreibt. Und das meiste wurde nicht vorgelesen, sondern frei erzählt. Aber dieser Erzählstil weckte bei den erwachsenen Zuhörern auch kritische Distanz. Tino Berlin, der etliche Jugendbücher verfasste, spricht oft vor Jugendlichen und hat sein Vortragsrepertoire offenbar danach ausgerichtet. Im Tonfall deutete er das spannungsgeladene Vibrato des Lehrers ab, der seiner Klasse bedeutungsschwer ankündigt, dass Mathe Spaß machen muss. Daran sollte er noch arbeiten.
Info: Die nächste Lesung im Häberlen ist am 25. Januar um 20 Uhr. Die Krimi-Autorin Wildis Streng aus Crailsheim wird zu Gast sein. Das Buch von Tino Berlin, Matthias Kehle: „Ohne Geld durch Schwaben“, ist im Silberburgverlag Tübingen erschienen und kostet 15,90 Euro.
Text zum Foto:
Tino Berlin wurde 1962 geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Der Autor veröffentlichte unter verschiedenen Pseudonymen zahlreiche Reportagen, Features und Hörspiele sowie mehr als 25 Kinder- und Jugendbücher, die in zehn Sprachen übersetzt wurden.